Ironman Austria – it’s my party!

Wenn man um 03:40 Uhr morgens kerzengerade im Bett sitzt und das Titellied der „Happy Tree Friends“ im Kopf in Dauerschleife läuft, dann ist er endlich gekommen: Raceday – der erste Ironman.

Trotzdem ich nur gefühlte 2.5 Stunden geschlafen hatte, war ich hellwach. Gott sei Dank war ich das, denn als erstes musste ich mir wieder überlegen, welches Essen denn noch zu bereiten war. Halb im Trisuit, halb im Pyjama und mit Flauschsocken an, stand ich also um 03:50 Uhr in der Küche und kochte Salzkartoffeln und Gemüsebrühe. Die Kartoffeln sollten meine Glykogenspeicher auf der Radstrecke bei Laune halten, die Gemüsebrühe in kleinen Fläschchen dem Elektrolytverlust auf der Laufstrecke entgegenwirken. Ja, da hatte sich die Tante ja wirklich Gedanken zur Rennernährung gemacht!
Eine Schüssel des klassischen Müslis später war ich dann sogar richtig angezogen, mein Essen fertig und das letzte Equipment in Taschen verstaut. Eigentlich hatte ich spätestens jetzt mit einem ersten Wegschmeißen der Nerven gerechnet, aber es blieb aus … es kam auch nicht, als ich bei der Abfahrt zum Eventgelände im Stau stand. Nix. Scheinbar wirkten die quietschenden „Happy Tree Friends“ in meinem Kopf äußerst beruhigend. Ganz entspannt und wie beim Seniorenwandertag schlenderte ich Richtung Wechselzone, das Lebensgefährt wartete schließlich schon auf ein wenig Luft. Da es am Vortag doch noch heiß war, hatte ich es wie immer vermieden, die Reifen bis zum Abwinken aufzupumpen (aber gut, bei meinem massiven Renngewicht mache ich das generell ja nicht wirklich). Vor der Wechselzone säumten unzählige Betreuer und Angehörige den Eingangsbereich, die Blicke ließen das erste Mal vermuten, dass hier in Kürze wirklich Gröberes ansteht: es war eine Mischung aus Anerkennung (Wow, die macht auch mit), Mitleid (Arme Tussi. Weiß die denn, worauf sie sich einlässt) und Entgeisterung (Ist die verrückt, dass sie da mitmacht). Ein bisschen Blödeln mit den Vereinskollegen hier, ein letztes Einprägen der Wege in der Wechselzone dort und schon war die Zeit gekommen, sich zum Schwimmstart zu bewegen. Am Weg dorthin befand ich mich irgendwie in einem Tunnel. Rings um mich hyper-professionell anmutende Athleten, gebrandet von oben bis unten und dann kam ich, der Lulu, der sich den Trainingsplan für diesen ganzen Spaß selbst geschrieben hatte und sich mehr Gedanken zum Rennoutfit macht, als über technische Feinheiten im Schwimmen. Ich schaffte es aber, alle anderen völlig auszublenden und sagte mir: egal, was die anderen in ihrer Vorbereitung geleistet hatten, egal welchen Weg oder Taktik sie einschlagen würden – das heute ist dein Rennen – DU musst dich über 226,2 Kilometer ins Ziel führen – niemand sonst – be your own Gandalf!

(c) M. Guggi

Bald stand ich nur noch im Neoprenanzug da, die Streetwear-Bag war auch abgegeben und bis zum Start war es nicht mehr lange. Weil ich ja glücklicherweise sehr lustige Vereinskollegen habe, wurde bis zum Startschuss der Profis immer noch gescherzt (Wer geht sich schon einschwimmen? Dafür hatte ich ja 3.8 Kilometer Zeit … ja ich weiß, wieder höchst professionell). Aber dann folgte der Kanonenschuss für den Pro-Start und ich hatte eine Panikattacke. Mein Mund wurde trocken, ich bekam keine Luft mehr und Tränen schossen mir in die Augen. Ich war doch bis dahin so cool gewesen? WTF?! Ich hatte plötzlich panische Angst vor dem Schwimmen. Temporär war ich überzeugt, dass ich das Schwimmen nicht überleben würde und wollte weg. So schnell diese Einlage kam, so schnell war sie auch wieder weg. Gott sei Dank, denn es war so schon peinlich genug. Als mäßige Schwimmerin hatte ich trotz des eigentlichen Rennstarts ja noch immer Zeit, um mich für den Rolling Start einzureihen. Im Rahmen des Anstellens zum Start wurde ich wieder viel ruhiger und als ich dann in der Zuschauermenge meine Girl-Gang erblickte, musste ich meine Einreihung kreischend nochmal über den Haufen werfen und sie begrüßen. Ich war schwer gerührt, denn ich wusste nicht, dass sie alle sogar schon zum Schwimmstart kamen.
Und dann ging es los – letzter Check der Schwimmbrille und ich startete Seite an Seite mit meinem steirischen Trainingskumpel Tom in meinen ersten Ironman.

Während ich in anderen Rennen schon nach fünf Metern im Wasser komplett am Anschlag schwamm, ging ich es diesmal sehr ruhig an. Rhythmus finden, Linie halten, überleben. Die Nervosität war vollkommen weg. Eher zufällig schaute ich mal auf die Uhr und ich erkannte, dass ich zu einer 01:18:00 Schwimmzeit unterwegs war. Ich? Was war da los? So schnell war ich ja in meinem ganzen Leben noch nie unterwegs gewesen (ja, jetzt wird dem Leser mein trauriges Schwimmniveau wieder mal bewusst). Euphorisch und motiviert erreichte ich die letzte Boje im See, bevor es wieder über eine kurze Gerade zurück Richtung Lendkanal und Schwimmausstieg ging. Warum auch immer beschloss ich einen hübschen Bogen fernab jeder Ideallinie zu schwimmen. Merke: nimm den Pro Christoph Schlagbauer nicht zu wörtlich, wenn er sagt „Genieße das Schwimmen!“, denn dann landet man irgendwo in der Botanik, weil‘s im Wasser ja so schön ist. Auch am Weg zurück schwamm ich wunderliche Schlangenlinien und so kam es, dass meine Uhr rund 100 Meter vor dem Schwimmausstieg schon wie wild für die Anzeige von vier Kilometern vibrierte. Japp, das hatte sie mal richtig gut gemacht. Not.

Zuerst war ich wegen meiner verpeilten Aktion ein wenig grantig, aber der Tag war ja noch lange und ich konnte ja auch nicht mehr viel daran ändern, außer eine Mischung aus „sich selbst Auslachen“ und „ein wenig Tourette“ beim Schwimmausstieg loszulassen. Den Volunteers hat es wieder mal gefallen. Am Weg zur Wechselzone wurde mir dann bewusst: yeeey, you survived! Jetzt konnte es dann losgehen! Nach einem eher durchwachsenen Wechsel (ich bin es nicht gewohnt, dass Volunteers dabei helfen und das brachte mich ziemlich aus dem Konzept) wurde endlich das Lebensgefährt begrüßt. Es hatte ja schon so sehnsüchtig gewartet, wie man es sich eben von seinem Lebensgefährt erhofft. Scheinbar hatte ich aus meinem Testrennen im Kraichgau auch viel gelernt (dort ging ich die ersten 15 Kilometer viel zu schnell an und verwelkte dann wie ein Primelchen in der Mittagssonne) und fuhr mit 35 km/h-Schnitt los. Die Lernkurve war wie so oft gewaltig. Haha. Diesmal blieb der Durchhänger aber glücklicherweise aus und ich hatte richtig Spaß auf der ersten Runde.

Sensationell waren aber auch die Fans an der Strecke. Ganz ehrlich: dass so viele Leute „Yeaaah, Unicorn-Racing, Go“ und ähnliches schreien würden, die ich noch nie zuvor gesehen hatte, machte mir so viel Freude und ich fühlte mich wirklich geehrt. Oje, da werde ich jetzt beim Schreiben ja schon wieder emotional! Also weiter im Text! Bis heute weiß ich nicht, wie ich es bewerkstelligte, aber an Streckenabschnitten, die ich im Training maximal mit 26 km/h absolvierte, fuhr ich locker mit 30 km/h dahin. Es rollte einfach. So hatte ich auch Zeit mir darüber Gedanken zu machen, wie denn eigentlich die weiteren Strophen zum großartigen Lied „Sunshine, Lollipops and Rainbows“ von Lesley Gore lauten. Ja, dieses Lied hatte ich im Ohr … über 90 Kilometer. Mir war eindeutig nicht mehr zu helfen. Die erste Runde hatte dann auch schnell ein Ende und ich freute ich wie ein kleines Kind über a) die Tatsache, dass ich dafür weniger als drei Stunden brauchte und b) das Einfahren in die Wende. Da war meine Mädels-Gang wieder am Start und schrie sich für mich ins Delirium. Let‘s party!

In all der Euphorie war mir aber auch bewusst: wenn ich die zweite Radrunde so fahre, würde ich beim Laufen wohl nicht mehr so viel Spaß haben. Ich oute mich hier auch ganz ehrlich: ich war bis zum Renntag noch nie 180 Kilometer mit dem Rad gefahren. True Story. Das Maximum waren immer 160 Kilometer und dann hatte ich keinen Bock mehr. Somit war hier auch die große Unbekannte: was passiert nach KM 160? Geht das Einhorn dann heim? Kann es dann nicht mehr? Stirbt das Lebensgefährt? Bröckelt der Nagellack?
Also beschloss ich die zweite Runde defensiver anzugehen und zu sehen, was passiert. Zusätzlich kam auch noch mein bester Freund hinzu: Gegenwind. Auf meinem absoluten Hass-Stück (für die Kenner: der Streckenabschnitt zwischen dem Faaker See und Ledenitzen) war der Wind so stark, dass ich beschloss, mir die Gehfäden jetzt nicht sonderlich auszureißen und nutzte den Durchhänger mit traurigem Tempo zur Nahrungsaufnahme. Dabei begleitete mich auch ein Race-Official für ein Pläuschchen. Danke, es war sehr nett! Und die Plauscherei nahm kein Ende, denn kurz vor Rosegg traf ich auch noch Christina, da freute ich mich auch noch mal. Man ist in einem Ironman ja einfach eine große Familie! Auf diese Art und Weise dachte ich auch nie darüber nach, wie viele Kilometer noch vor mir lagen. Ich bewegte mich einfach im Hier und Jetzt und dachte generell nicht so viel nach (außer über die Textzeilen von „Sunshine, Lollipops and Rainbows“ … immer noch … WTF).

(c) P. Stangl

Bei einer Labestation hatte ich dann leider auch noch einen kleinen Durchhänger und fragte mal vollkommen unverbindlich nach: „Griaß euch, a gibt‘s da das E-Bike? Nix?“. Spoiler: es gab keines. Der nächste Spoiler folgt auch gleich: der Nagellack hielt auch nach Kilometer 160 noch und das Einhorn auch. Ich hatte in der Tat bis zur Wechselzone eigentlich immer Spaß, was ich mir ehrlich gesagt bis dahin nicht wirklich vorstellen konnte. Aber es war so. So war ich auch mit der Endzeit am Bike von knapp über sechs Stunden vollkommen zufrieden. Schon in der Wechselzone nach dem Einparken und Streicheln des Lebensgefährts merkte ich, dass die Gehfäden immer noch recht fresh waren und hoffte, dass es so bleiben würde.

Wechselzone – Lipgloss drauf und raus ging es auf die Laufstrecke! Vor dem Ironman hatte ich mir immer gesagt: mach es ja nicht so wie bei den Mitteldistanzen, denn da rennst du ja immer los wie ein verrücktes Huhn. Aber wer hört im Rennen schon auf sich selbst und seine Pläne und so startete ich mit einer Pace unter 04:30 auf den ersten Kilometer. Das geht auf dem ersten Kilometer ja meistens noch gut, die magische Marke liegt bei mir bei Kilometer drei. Wenn die Laufbeinchen dann noch wollen, dann läuft es wirklich gut. Und sie wollten noch! Da war ich auch schon wieder emotional und freute mich so. Die Laufbeine sind da!!! Nach dem Kraichgau hatte ich ja Bedenken. Ab Kilometer drei war somit ein Lächeln in mein Gesicht zementiert und ich hatte richtig Spaß. Das Tempo drosselte ich dann aber, denn ich wollte schon noch das Ziel sehen und ich wusste: mit diesem Schnitt sehen wir temporär zwar gut aus, aber dann liegen wir wohl wo im Graben. Konstanz war gefragt. Ich weiß auch, dass mich die anderen Athleten, die schon mehr gingen als liefen, wohl dafür gehasst haben, aber ich hatte so viele Supporter an der Strecke, dass ich mich wie im Rausch bewegte und sich das Laufen zu einer Party entwickelte. Endlich sah ich dann auch das überdimensionale Einhorn, das meine Mädels für mich auf die Straße gezaubert hatten.


Es war einfach nur noch sensationell. Wie schon auf der Radstrecke dachte ich nie darüber nach, wie weit es noch war, ich lief einfach – wie Forrest Gump – nur ohne Bart, dafür aber mit einem Gemüsebrühe-Fläschchen im Dekolletee (genereller Tipp für die Ladies – hier bietet sich viel Stauraum für Rennverpflegung ;)).

Ich versuchte gleichmäßig meine Pace von 05:20 zu halten, mal gelang es ein wenig besser, mal schlechter. Kurz vor der Wende in der Innenstadt erblickte ich dann auch meine Mama, sie sah mich aber nicht, daher gab es wieder mal einen klassischen Dialog: „Mama, du schaust in die falsche Richtung – da bin ich!“ – „Achso, du bist schon da?! Jetzt lauf doch mal!“. Es war großartig.

Es ging zurück zur Ironcity und nochmal nach Krumpendorf. Hier wurde mir bewusst: jetzt noch einmal in die Innenstadt und dann hast du es gleich geschafft. Vielleicht hätte ich mir das aber auch nicht vor dem geistigen Auge vorstellen sollen, denn bei Kilometer 30 wurde es ein wenig haarig. Es fiel mir erheblich schwerer die Pace zu halten, die Füße taten weh und die Leichtigkeit ging ein wenig flöten. Aber wofür hatte ich so viele Fans an der Strecke?! Es durfte hier nicht geschwächelt werden – the party must go on!

So sammelte ich meine restliche Energie und startete den letzten Angriff auf den alten Platz und die finalen Kilometer Richtung Ziel. Hinzu kam die Tatsache, dass ich meine direkten Konkurrentinnen um den Landesmeistertitel auf der Laufstrecke sah und merkte, dass ihr Vorsprung schrumpfte. Kampfsau-Mode on. Ein letztes Mal lässig vor den Zuschauern dahintänzeln und die Pace auf 04:40 schrauben – Ziel ich komme.

(c) P. Stangl

Auf den letzten zwei Kilometern sah ich nicht mehr so viel, ich lachte, strahlte, kämpfte mit den Tränen. Ach ja, gelaufen bin ich schon auch noch, so war es nicht, aber eher in Trance. Als ich vom Moderator an der Wende in der Ironcity auf die Finishline geschickt wurde, brachen alle Dämme. Kampfsau-Mode off, Mädchen-Mode on. Ich klatschte mit allem ab, was Hände hatte, fühlte mich wie eine Heldin. Eine Heldin, die Angst hatte, eine der Cheerleaderinnen über den Haufen zu rennen.

Es war meine Finishline, mein Moment, meine Party. Vor dem Durchlaufen des Zielbogens musste ein Jubelschrei sein und dann wurde nur noch geheult. Ich war nun auch einer dieser Freaks, die sich Ironman nennen dürfen. Mein Gott, was war ich fertig. Weniger körperlich (im ersten Moment zumindest … hahaha), sondern mental. Ich hatte alles erreicht, was ich mir gewünscht hatte (und ich sage bewusst „gewünscht“ und nicht „erwartet“. Erwartet hatte ich von all dem nix):

– überlebt
– eine Zeit unter 12 Stunden (11:36:29)
– die vierte Marathon-Laufzeit in meiner Altersklasse (03:50:16)
– Landesmeistertitel in meiner Altersklasse
– und das ALLERWICHTIGSTE: ich hatte wirklich viel Spaß und war rundum happy!

Klar, viele sagen: wenn du so viel Spaß hattest, dann hast du dich nicht genug angestrengt – da wäre dann ja noch viel mehr drin gewesen. Aber hey: es war MEIN Rennen und ich wollte doch Spaß bei der Premiere haben! Zerlegen kann ich mich dann bei den nächsten Teilnahmen 😉

Und weil ich gerade mein emotionales Tutu anhabe: danke an alle, die mich unterstützt haben. Ich hätte niemals mit so viel Support gerechnet und bin euch allen unendlich dankbar. Egal, ob Freunde, Familie, Vereinskollegen, Blog-Leser, Oben-Ohne-Profi, Servus Hockey Night-Kollegen, Eishockey-Buddies oder die Leute, die sich einfach sagten „Och, die in Rosa lacht immer, für die klatschen wir“ … ihr rockt und habt massiv dazu beigetragen, dass ich da draußen eine tolle Party hatte.

Denn ihr wisst ja: If you can‘t win it – have a great party!