Die Reise nach Mittelerde beginnt

The typing unicorn is back! Wieder einmal bin ich fast dankbar dafür, mit dem Schreiben nicht meinen Lebensunterhalt bestreiten zu müssen, denn sonst hätte ich mir in den vergangenen Monaten wohl nicht mal mein Essen leisten können. Oder noch schlimmer: das Essen für den Hund. Es gab aber einfach nicht viel zu berichten und, so ehrlich bin ich an dieser Stelle auch, es war mit nicht immer nach lustiger Tippselei zumute.
Ein paar Worte gilt es nun aber am Beginn einer langen Saison doch zu verlieren. Immerhin habe ich mir immer wieder selbst die Frage gestellt, wer denn auf die abstruse Idee kam, die Saison 2020 so lange zu gestalten. Ja, das war wohl wieder mal ich. Aber gut, als ich mich nach dem Beiwohnen des Ironman Austria als Zuschauerin am Streckenrand wieder euphorisch für 2020 anmeldete, konnte doch auch keiner damit rechnen, dass man sich für die Ironman 70.3 WM qualifiziert. Dass diese dann auch noch ob der Location Neuseeland erst Ende November stattfindet, hatte ich auch irgendwie verdrängt. Ein wenig ärgerte ich mich, die Qualifikationsmünze in den Händen haltend, dann über die Anmeldung zum Ironman Austria. Ein klassisches Beispiel für Erste-Welt-Probleme.

Ach, was hätte das für eine entspannte Saison werden können! Während sich alle anderen Athleten durch die letzten Einheiten der Tempophase für die Saisonhighlights im Juli quälen, hätte ich maximal relaxed mit dem Lebensgefährt durch die Gegend bummeln können. Nur für den Teint und mit vielen Eispausen. Ich hätte bis in den Sommer herumgammeln, mich nur nach Spaß (und für die Figur) bewegen und dann im August ins ernsthafte Training einsteigen können. Aber nein. Nix. Wenn ich mich für ein Rennen anmelde, dann ziehe ich das auch durch.
Aber so eine lange Saison verlangt folglich nach einer klugen Planung, denn kein normaler Wald- und Wiesenathlet kann von Mai bis Ende November seine Form halten, sofern einem überhaupt eine solche zuteilwird. Zur großen Verwunderung vieler Triathlonkollegen bin ich nach wie vor ohne Trainer unterwegs, plane die Saison, die einzelnen Trainingszyklen und die Trainings selbst. Ich bin also auch bei der Reise nach Mittelerde aka. nach Neuseeland wieder mein eigener Gandalf. Wie Gandalf selbst lese ich eben viel Fachliteratur. Zur Vermeidung völliger Planlosigkeit hinsichtlich der Trainingsbereiche führt für mich aber kein Weg an einer professionellen Leistungsdiagnostik vorbei, denn sonst läuft das Distanzpony doch Gefahr, in eine falsche Richtung zu traben, auch wenn das Gras dort recht grün erscheinen mag (nein, ich spare mir hier eine weitere Herr der Ringe-Analogie). Natürlich stellt sich berechtigterweise die Frage, warum man denn nicht langsam einen Trainer hinzuzieht. Schließlich ortet der eine oder andere Schelm ja durchaus Potential im Einhörnchen, das mit einem noch gezielteren und auf Effizienz gebürsteten Training besser genutzt werden könnte. Immerhin gehört es doch für den ambitionierten, mit einem Bein in der Midlife-Crisis angekommenen Age Grouper zum guten Ton, monatlich hohe Summen an mehr oder weniger qualifizierte Triathlontrainer zu überweisen. Warum also nicht auch das Distanzpony?


Die wie immer ehrliche und schonungslose Antwort: darauf habe ich einfach keinen Bock.
Mein Beruf im Medienbusiness erfordert ein hohes Maß an Flexibilität, da würde die Korrespondenz mit dem Trainer, ob man denn nun die Trainings doch spontan so verschieben könne, mehr Zeit und Energie rauben als die Trainingseinheiten selbst. Abgesehen davon habe ich auch keine Lust darauf, jedes Training so minutiös und auf Herzschlag resp. Wattzahl genau durchzutakten, sodass keine Zeit mehr bleibt, den diversen Tieren neben der Straße zu winken. Diese wären zutiefst enttäuscht und ich auch.
So ehrlich muss man auch sein: Profi werde ich in diesem Leben nicht mehr, was bedeutet, dass der Triathlonsport eher ein Loch in die Brieftasche brennt als diese zu füllen. Somit soll für mich auch weiterhin der Spaß im Vordergrund stehen und wenn dies bedeutet, dass es immer wieder mal „leere“ Kilometer gibt, die man einfach nur für seinen inneren Frieden und zur Entspannung nach Lust und Laune frisst, dann möge es bitte so sein. Der Gandalf in mir findet diesen Ansatz übrigens auch sehr klug. Mittlerweile bin ich dem Triathlon ja schon ein paar Jährchen verfallen und mit der Erfahrung wächst nicht nur das Wissen, sondern auch die Gelassenheit. So habe ich gelernt, öfter mal Pausen einzulegen, wenn der Körper signalisiert, dass er einfach müde ist. Klar – hier lauert eine Gefahr: bin ich gerade nur faul und will gerne in die Flauschdecke eingewickelt Sex and the City auf DVD schauen (ich bin mir gerade nicht sicher, was mich älter macht – die Tatsache, dass ich nach wie vor diese Serie als Dauerbrenner mit Bildungsauftrag betrachte oder dass ich hierfür eine DVD abspiele. Eine DVD…) oder braucht der geprügelte Astralkörper wirklich einfach nur eine Pause. Eine Gratwanderung, die viel Ehrlichkeit mit und zu sich selbst verlangt und vor allem auch eine gute Kenntnis seines Körpers. Mittlerweile habe ich das aber wirklich gut drauf und Dank der Gelassenheit habe ich auch erkannt: weder stirbt die Form unmittelbar, noch brechen alle Fingernägel ab, wenn man auch mal ein geplantes Training auslässt, weil man sich nach einem langen Arbeitstag oder durch zu viel emotionalem Ballast einfach nicht zum Training aufraffen kann.


Nachdem ich den Weg zur WM nach Mittelerde folglich selbst gehen muss, bastle ich ihn mir selbst lustig zusammen und bisher läuft es ganz gut. Der Fokus liegt aktuell rein auf der Vorbereitung für den Ironman Austria. In nerdiger Herr der Ringe Sprache ausgedrückt (sorry, ich kann es nicht lassen), befinde ich mich also noch in der langatmigen Sequenz rund um das Auenland, man nennt es aber wohl auch Grundlagenphase. Wenn ich dann den Ironman irgendwie überlebt habe, soll eine lange Sommerpause folgen, wobei mich der Gedanke an ihre Gestaltung schon jetzt überfordert. Was macht man denn auch im Sommer, wenn man nicht trainiert? Ich freue mich über Zuschriften mit Vorschlägen! Der angestammte Triathlon-Rhythmus hat mich dann im Idealfall Ende August wieder und wenn es dann draußen kalt wird, beginnt für mich die heiße Phase. Ganz ehrlich? Wie ich im nassen und kalten Grau des Spätherbstes die Motivationsfahne für Tempoeinheiten hochhalten soll, wenn dann medial auch die Kona-Euphorie abgeflaut ist, weiß ich noch nicht. Ach ja, da wäre ja der Motivator 70.3-Weltmeisterschaft! Dieser sollte das auf jeden Fall schaffen. Ajajaj – es kribbelt jetzt schon!
Wenn man also im kommenden November einen Trottel im Wettkampftempo durch die Gegend schleichen sieht, dann handelt es sich nicht um einen Möchtegern-Angeber ohne Sinn für die Offseason, sondern um einen Möchtegern-WM-Teilnehmer, der eben knapp vor dem ersten Öffnen des ersten Türchens am Adventskalender noch ein Rennen hat.