Insomnia und Blues nach dem Ironman

Was passierte denn eigentlich nach dem Ironman mit dem Einhorn?
Wie fühlte es sich denn, so post-triumphal?
Oje, diese Einleitung klingt ja, als hätte ich mich auf einer stereotypen Ledercouch bei bestimmten Spezialisten eingefunden, die nickend die Erörterungen des Seelenlebens mitprotokollieren.

Hier jetzt also die nackte Wahrheit, bitte Block und Stift zücken!

Prinzipiell war die Zeit nach dem Ironman eine wunderliche Achterbahnfahrt, sowohl körperlich als auch mental. Bezüglich der körperlichen Nachwehen wurde ich von meinen Kollegen ja perfekt vorbereitet: „Also zum Schlafen und generell danach wirst du schon Schmerzmittel brauchen …“. So weit kam es in meinem Fall nicht, wohl auch, weil ich gemeinhin nach dem Credo lebe, dass man mit Kamillentee alles heilen kann. In der Nacht nach dem Rennen schlief ich jedoch in der Tat ohne mich zu bewegen, da ich mich irgendwie nicht umdrehen konnte. Noch eine Spur lustiger war aber das Aufstehen am Morgen nach dem Rennen, hier lachte ich mich wirklich – true Story – selbst aus, als ich die ersten 1-1.5 Meter zu gehen versuchte. Es war sehr geschmeidig, sehr sexy, einfach elfengleich. Hahahaha. Oh Gott ja, ich wollte einen Rollator (mit Lightweight-Discs versteht sich!). Vor dem Spiegel im Badezimmer begann ich im Anschluss die diversen Wunden am Körper zu zählen. Im Rennen oder im Rausch direkt danach merkt man ja irgendwie nichts, dafür gibt es ja den berüchtigten Tag danach (wie im Film Hangover eben). Es waren derer einige und ja, meine Haut scheint eine ziemliche Mimose zu sein, denn ja, wohl nur die wenigsten haben sogar wundgescheuerte Stellen an den Handgelenken durch das Athletenarmband und die Rundenbändchen vom Laufen. Über den Zustand der Zehen sprechen wir an dieser Stelle gleich mal gar nicht, denn es dauerte Wochen, bis ich diese wieder in offenen Schuhen zeigen konnte. Wochen!
Für die After Race-Party am Abend hatte ich mir VOR dem Ironman ja ein tolles Outfit überlegt, schöne hohe Schuhe inklusive. Ich finde es immer wieder toll, wenn ich Pläne schmiede, ohne mich selbst in diese zu involvieren. Klar, hohe Schuhe … logisch. Ich hatte doch für die Siegerehrung der Landesmeisterschaft schon beinahe einen Treppenlift zum Podest rauf gebraucht, da gehen natürlich hohe Schuhe am Abend. Mein Gott. Ich sollte manchmal keine Styling-Tipps von Elle Woods annehmen, sie hat definitiv noch keinen Ironman gemacht. Info: es wurden auch am Abend flache Schuhe.
Körperlich fühlte ich mich schon an Tag zwei nach dem Rennen wieder recht fit, wer hätte das gedacht. Da hielt ich mich auch noch für unzerstörbar. Ach, sie sollte ja noch so auf die Schnauze fallen, denn die Phasen nach dem Ironman gliederten sich insgesamt in die folgenden:

  • Der Tag danach: OMG, Triathlon ist so toll, bitte bitte lasst mich in dieser Triathlon-Blase, in der sich das Leben nur um Rennen, After Race-Parties, Sinnlos-Smalltalk mit anderen Freaks und dem Schmieden von neuen Rennplänen dreht! Wer braucht schon Schlaf? Brauchen wir doch nicht, nein, nein … Schlafen ist feig. Essen können wir auch noch immer nichts, nach zwei Bissen ist uns ja schlecht, aber egal, wir strotzen ja auch so vor Energie.
  • Die Tage nach dem Tag danach: OMG, ich bin ja so motiviert, ich könnte Bäume ausreißen, lasst mich doch einen 20 Kilometerlauf machen, ich fühle mich so gut (bis auf die Zehen). Schlafen wird immer noch überbewertet, wir surfen doch weiterhin auf der Welle totaler Craziness und fühlen uns unbesiegbar. Gewogen haben wir schon mal mehr, aber es herrscht weiterhin Appetitlosigkeit.
  • Eine Woche danach: bitte lasst mich nur noch schlafen, mein Körper hat 300 kg und ich fühle mich wie eine verendende Seekuh (natürlich ohne jetzt konkrete Erfahrungswerte zu haben). Ich will mich nicht mehr bewegen und ärgere mich, dass genau jetzt mein Urlaub aus ist.
  • Die zweite Woche danach: was ist denn mit den anderen Leuten los? Zwei Wochen nach dem Ironman durchbrechen sie bei Kurzdistanzen schon wieder die Schallmauer, während ich noch immer beinahe am Arbeitsplatz einpenne und mich nicht bewegen will.
  • Die dritte Woche danach: eigentlich sollte langsam wieder Struktur in das Training einkehren, aber ich habe keinen Bock und kurve unmotiviert mit dem Lebensgefährt in der Pampa herum. Laufen ist bis auf weiteres ohnehin tabu, weil man ja im kurzen Motivationshoch nach dem Ironman seine Sehnen im Fuß beim Intervalltraining überlastet hatte. Wer macht denn auch schon wieder Bergintervalle … ich bin so ein Trottel. Schwimmen, das in meiner Welt ja ohnehin als pretty pointless gilt, wird nur draußen und ohne Plan für den schönen Sommer-Teint praktiziert.
  • Die vierte Woche danach: der Bock wird noch weniger und man überlegt ein Umschulen auf alternative Aktivitäten, such as Töpfern oder das Weben von Tagesdecken in den aktuellen Trendfarben. Man fragt sich auch, wie man es vor einem Monat schaffte, einen Ironman über die Ziellinie zu bringen. Keine Ahnung, ich weiß es nicht.
  • Die fünfte Woche danach: am Rad fehlt weiterhin jede Energie. Gott sei Dank habe ich keine Wattmessung montiert, es wäre wohl das erste Mal, dass die Garmin nicht piepst, sondern mich wirklich auslacht. Nach zwei Wochen Laufpause fehlt auch hier das Tempo und ich bin überrascht, wie schnell man eigentlich abbaut. Auch nach kurzen Einheiten tut mir alles weh und ich weiß wirklich nicht, wie andere Athleten schon wieder so stark performen können. Vielleicht heilt Kamillentee doch nicht alles …
    Die nächsten Rennen stehen an und eigentlich will ich mich davor gerne drücken, weil ich mich völlig ausgebrannt und unmotiviert fühle. Die Kampfsau in mir, die sich in den vergangenen Wochen geschickt in der letzten Ecke versteckte, sagt aber mit erhobenem Zeigefinger: „Setz dich doch im Wald unter einen Baum, wo du hingehörst, du Schwammerl! Reiß dich halt wieder mal zusammen!“

 

Man könnte also meinen, dass nach dem ultimativen Ironman-Hoch ein ziemliches Tief folgte, sowohl mental als auch körperlich. So ehrlich muss man auch mal sein. Nein, man ist keine Maschine und jeder ist anders. Die Tussi brauchte wohl einfach mal Abstand vom Renngeschehen und vom harten Trainingsalltag. Immerhin galt es auch zu verkraften, dass die schönen Schuhe im Schrank bleiben mussten. Ich glaube auch, dass es völlig ok ist, nach dem Erreichen seines großen Saisonziels zu sich selbst mal ehrlich zu sein und zu sagen: die Luft ist raus, Schwammerl, die Luft ist raus – und es ist ok!

Nun, noch ein paar mehr Tage nach dem Ironman ist aber endgültig Schluss mit der unmotivierten Jammerei und ich tue mir den Kraigersee-Triathlon an. Zum Glück handelt es sich hier um einen Sprintbewerb, der dem Distanzpony ja so gar nicht liegt (viel zu stressig, hier hab ich ja nicht mal Zeit für Lipgloss und für’s Blödeln). Ich gehe auch von einem ziemlichen Eingehen meiner Wenigkeit aus, aber vielleicht ist genau das der Tritt in den Poppes, den ich brauche, um wieder voll motiviert ins Training zu starten (oder zumindest um mal die Kampfsau wieder aus der Ecke zu locken, damit sie das Schwammerl unter dem Baum zertrampelt).