Im Age-Group Dilemma …

Morgens aufstehen, die erste Trainingseinheit absolvieren, dann nochmal ausgiebig frühstücken, im Anschluss ein paar Stunden auf das geliebte Rad und vielleicht noch ein Koppellauf zum Drüberstreuen. Abends wartet eine elegant kredenzte und natürlich vollwertige Mahlzeit auf einen, bevor man seinen Physiotherapeuten konsultiert. Zwischendurch die Story für Instagram bitte nicht vergessen!
So oder zumindest so ähnlich geht es eben dahin… im Leben eines Profis.
Die Realität, in der sich der gemeine Age Group-Athlet befindet, sieht allerdings etwas anders aus.
Natürlich hat man sich auch einen Plan gemacht, immerhin will man sich ja keine Blöße beim lokalen Triathlon geben, schließlich wird man dort vielleicht erkannt. So startet man voll motiviert in seine Belastungswochen, die man zwischen Vollzeitjob und Normalo-Alltag quetscht. Die Pläne werden aber immer wieder jäh durchkreuzt:

  • Mal dauert das Meeting länger als geplant und mit der anhaltenden Dauer des Meetings schwindet auch die Muse, das Training dann im Dunklen durchzuziehen. Ja, du elender Age Grouper, schwach von dir!
  • Dann regnet es wie aus Eimern, wenn man sich eigentlich lange aufs Rad setzen wollte, aber verschieben lässt sich die Einheit nicht, da man tags darauf wieder arbeiten muss.
  • Manchmal ist man aber auch einfach nur müde von der Arbeit und den lästigen Alltagspflichten (das Bügeln kann man ja mal lassen, aber zumindest Wäsche waschen und aufräumen müssen doch sein)

Also wird trainiert, wenn man mal frei hat und genügend Zeit bleibt. Die langen Wochenenden im Mai und Juni sind ja faktisch prädestiniert für lange Radausfahrten und generell all die Trainings, die man sonst nicht unterbringen konnte. Wer hört schon auf die Fachliteratur, wenn sie schreibt, dass man Trainings in diesen Umfängen nicht auf einmal einfach so nachholen kann. Quo vadis Periodisierung? Statt der Entlastungswoche werden einfach mal 14 Stunden Training in eine Woche gepackt. Immerhin habe ich ja JETZT frei und das Wetter ist JETZT schön! Nach dem langen Wochenende muss ja wieder gearbeitet werden, es gilt den Spaß und das rosa Equipment schließlich irgendwie zu finanzieren. Also hopp aufs Rad und Hirn ausschalten. Sehr klug, ja sehr klug. Nicht nur, dass man die Arbeit am Montag wie ein Scheintoter antritt, weil man sich am langen Wochenende nach allen Regeln der Kunst im Training selbst zerlegt hat, auch der Körper sagt einem irgendwann mal: „Nix geht mehr, ich bin raus!“. So schlittert man dann eben in ein richtiges Tief. Müde, fertig, aus.
Wirklich bewusst wurde mir die Ernsthaftigkeit der Lage erst im Rahmen des Wörthersee Triathlon im Juni. Zugegeben, dass ich beim Schwimmen nichts gewinnen werde, war klar. Doch der wunderliche Landgang mit Kopfsprung vom Steg retour ins Wasser war wirklich nicht förderlich. Sowas hatte ich auch stets im Training geübt. Natürlich nicht! Entsprechend groß war der „OMG, whaaaat?“-Effekt beim Racebriefing, als ich die Notwendigkeit von Turmspringerqualitäten erkannte. Irgendwie wurde die Schwimmerei, langsam wie immer, aber doch überlebt.


Der Weg von der Wechselzone bis zum Punkt, an dem man auf das Rad aufsitzen darf, war ziemlich lange und so entschloss ich mich, die Schuhe höchst professionell am Rad zu lassen und sie erst beim Fahren anzuziehen. Immerhin bin ich seit dieser Saison im Besitz von waschechten Triathlon-Radschuhen, jedes andere Prozedere wäre somit auch eine Insultierung des Equipments gewesen. Auch das Anziehen der Schuhe während des Fahrens hatte ich natürlich nicht geübt, es lediglich ein einziges Mal im Training versucht und selbstredend versagt. Mit dieser Vorbereitung musste es im Rennen dann ja funktionieren. Überraschenderweise tat es das wirklich – sturzfrei und in meiner Welt auch sehr elegant!

Am Rad selbst lief es dann gar nicht, was mich ob meiner doch umfangreichen Radkilometer im Vorfeld traurig stimmte. Wie ich es befürchtet hatte, gab es bei diesem Windschattenrennen aufgrund meiner erbärmlichen Schwimmperformance keine Radgruppe mehr und so kurbelte ich zu 90% der Zeit allein herum. Bei der Labestation wollte ich auch gerne auf ein E-Bike umsatteln, die netten Helfer teilten mir aber auf meine Nachfrage hin mit, dass sie keines hätten. So waren es eben weiterhin nur das S-Works und ich, wobei das Rad wie immer keine Schuld traf, es lag an den Beinchen, die völlig kraftlos waren.
Beim Laufen wollte ich dann bei rund 800 Grad im Schatten noch Schadensbegrenzung betreiben, fragte die Gehfäden: „Wollt‘s wenigstens das heute noch? … Nix?“. Sie wollten, jedoch war es eine einzige Qual und gebracht hat es auch nicht mehr viel.

Trotz einer der schnellsten Laufzeiten trabte ich zerstört ins Ziel. Frustriertes Einhorn! Da versiegte auch der Glitzerstaub … aus, nix mehr da. Ich wollte nicht mehr, fühlte mich Kacke und leerer als eine Packung Schokokekse zu Zeiten von Liebeskummer.
Auch die anschließenden Bluttests sagten es in ausdrücklicher Form: du brauchst eine Pause! Jetzt!
Dem ärztlichen Rat beugte man sich natürlich und ich hatte auch ohnehin weder Bock noch die Kraft, mich umfangreicher zu bewegen (außer zum Lackieren der Nägel vielleicht).
In den Tagen des Nichttrainierens, die per se ja schon sehr ungewohnt sind, blieb dann mehr Zeit zum Nachdenken: Wozu hab‘ ich eigentlich trainiert, bringt ja scheinbar nix? War alles falsch? Warum werden alle besser, nur ich Pfeife nicht? Ach verdammt! Zur ultimativen Selbstgeißelung müssen natürlich auch noch die neuen Ausgaben der diversen Triathlon Magazine her und man schaut sich das News Feed seiner Social-Media-Kanäle durch. Dort sind ja alle stets fit, motiviert und im Aufbruch zu neuen Abenteuern befindlich. Die Selbstzweifel werden auf diese Weise natürlich nicht nur mit ein paar Körnern, sondern mit einer fetten Torte genährt und man fragt sich nur noch, wann eigentlich der exakte Zeitpunkt gekommen war, an dem man zu einem Lauch mutierte.
In lichten Momenten kam aber auch mal ein kluger Gedanke: „Chill the fuck out! Wenn nicht die Aussicht besteht, dass man von einem sehr hübschen, auf einem Einhorn herbeireitenden Notarzt gerettet wird, sollte man sich und seinen Körper einfach nicht gegen die Wand fahren. Punkt.“
Also wurde so lange wie notwendig pausiert, auf den Körper gehört und einfach mal Abstand von der Causa Triathlon genommen. Denn, so überraschend es jetzt auch für den Age Grouper klingen mag: Triathlon ist im Leben nicht zwingend der alles bestimmende Faktor (meine Güte, wie hart und beängstigend sich das anhört). Die Motivation und die Kraft werden schon wiederkommen. No worries!
Und ich sollte Recht behalten.
Sowohl die Muse als auch die Energie kamen nach zwei Wochen in alter Frische wieder. Pünktlich zum Ironman! Ein gewisses Einhorn ist auch schon wieder für den Ironman Austria 2020 angemeldet ?