… einfach irgendwo sitzen und nett ausschauen …

Triathlon-Fachliteratur kann böse sein. Sehr böse. Insbesondere dann, wenn beginnend mit November die Teilnahme an zumindest einem Trainingslager im Süden propagiert wird. Wer ein solches nicht in seinem Kalender unterbringen kann, meldet sich am besten gleich wieder von allen geplanten Rennen ab (und stellt auch seinen Instagram-Account ein … denn: wie uncool ist man ohne der täglichen Bilder von Ausfahrten entlang einer bildschönen Küstenlandschaft? Sehr uncool. Daher deaktivieren. Sofort.).
Ich gehöre leider zur Kategorie „Trainingslager bis auf weiteres nicht möglich, weil mein Job, der mein Rad, die Bekleidung, das Nenngeld und das tägliche Brot finanziert, die Präsenz bei der Arbeit erfordert.“
Spätestens im Februar macht sich also ob des Fehlens des Trainingslagers zum ersten Mal Panik breit. Dann ist im März das Wetter auch noch schlecht und man fragt sich, ob man mit Hilfe der Rolle und seiner Lieblingsserie irgendwie auf entsprechende Radkilometer und einen gesundaussehenden Teint kommt. Letzteres nicht. Ersteres vielleicht (macht aber nur bedingt Spaß).

Dann schaffte ich es aber, ein kurzes, selbst zusammengewürfeltes Mini-Trainingslager im Süden zu organisieren. Primär für den Teint, weil ich sonst Gefahr laufe, dass man mich bei den ersten Rennen beim Schwimmen für eine Wasserleiche halten könnte und rauszieht. Also ab nach Spanien mit dem Vorsatz, die Schwimm-, Lauf- und Bräunungsperformance zu verbessern. Das Rad blieb zu Hause – es ist so perfekt eingestellt (und schön!) und daher wollte ich ihm das Teilzerlegen ersparen. Denn: wenn ich das Ding wieder zusammenbaue, fährt es wohl nur noch rückwärts und braucht Stützräder.

Der erste Tag verlief ganz genau so, wie man sich einen harten Tag im Trainingslager vorstellt: Outfit zurechtlegen, It-Bag umhängen, Barcelona anschauen und von Retro-Kleidchen in den kleinen Shops der Altstadt entzückt sein. War auch mal absolut notwendig. In einer ruhigen Minute geisterte dann aber doch wieder durch meinen Kopf: na toll, wegen des Trainings wäre es gewesen, blöde Tussi!

Calella2
Ab dem zweiten Tag ging es dann schon ordentlicher zu – zunächst Weiterreise in den Ort Calella und anschließend eine Laufeinheit am Strand. Endlich konnte ich dann auch mal mit „Ich laufe am Strand herum“-Bildern protzen.  Schon nach der ersten Session am Strand musste ich mir aber die kritische Frage stellen, ob man sich mit dem Training in Calella für sein sportliches Ego einen Gefallen tut. Alle waren hier unfassbar stark und während man es aus Österreich meist gewohnt war, alleine (mit seinem inneren Schweinehund) zu trainieren, traten die spanischen Triathleten prinzipiell im Rudel auf. Ich war somit der Lulu-Albino, der sich eigentlich die meiste Zeit nur fragte: was arbeiten diese Menschen, wenn sie den ganzen Tag trainieren? Oder trainieren sie gar nicht so viel und werden aufgrund des Klimas automatisch so gut? Oder liegt es vielleicht an der Milch, die sie trinken und if so, darf ich so eine Kuh dann streicheln und mitnehmen? Egal, es half ja nix, also hieß es mitziehen, die Gehfäden in die Hand nehmen und sich denken „Hui, das Meer … mei, schön!“.

UnicornRacing_Calella
Wegen des Schwimmens und so: Calella ist ja vor allem auch für seine Schwimm-Möglichkeiten bekannt, schon alleine der 50 m Außenpool des offiziellen Ironman Trainingszentrums ist sehr imposant. Rund um die Uhr trainieren hier Gruppen jeder Altersklasse aus ganz Europa. Natürlich schaute ich mir da einige Trainings an, in der Hoffnung, die eine oder andere Übung oder Erkenntnis mitzunehmen.

Pool_Calella
In diesen besagten Pool durfte ich dann auch rein … und habe mich im Vorfeld aus Angst beinahe eingenässt. Wir wissen, welche Performance ich im Wasser abliefere und bis zu meinem Betreten der Anlage hatte ich nicht einen (!!!) Honk gesehen, der auch nur annähernd so schlecht war, wie ich. Vor meinem Training befand sich eine Schwimmgruppe aus Frankreich im Pool, Kinder im Alter zwischen 10 und 14 Jahren. Ich hab die Profi-Kids gesehen, wollte dann nicht mehr, fühlte mich wieder wie 12 und fürchtete, von der Gruppe ausgelacht zu werden. Vielleicht würden sie mir auch ein Schwimmtier aufblasen und zuwerfen, an das ich klammern kann, um nicht zu ertrinken. Obwohl so ein aufblasbares Einhorn eigentlich ganz cool wäre. Irgendwie. Ich wollte weg. Kurzfristig überlegte ich mir auch, ob es nicht viel schöner wäre, sich einfach irgendwo hinzusetzen, nett auszusehen, die Natur zu betrachten und sich zu denken „Ui, schau: ein Schmetterling!“. Es wäre zumindest etwas gewesen, das ich kann. Ja, das ging mir durch den Kopf, zugegeben wenig zielführend. Zwei Dinge hielten mich dann aber am Leben und somit über Wasser:

  • Jan Frodeno trainierte auch schon hier und wenn Frodo hier schwimmt, muss ich das auch.
  • Ach lacht ihr nur, ihr Kinder! Ich kann dafür am Eis super rückwärts übertreten und war immer top beim Forecheck!

Also Eishockey-Kampfsau-Mode an und durchziehen!
Das Gute: im 50 m-Becken schafft man seine 2 Kilometer ohne 2368 nervige Wenden dann doch recht zügig. Gott sei es gedankt. Ich durfte wieder raus. Gelacht hatte keiner (wohl weil sie alle weg waren). Im Anschluss ging es gleich ins Fitnessstudio aka. zur dritten Trainingseinheit an diesem Tag und ich freute mich, denn dort kenne ich mich dank der Eishockeyvergangenheit aus. Ab in die Wohlfühlzone oder wie ich es gerne sage: Schuster, bleib bei deinen Leisten! Meine Übungen sahen für die Triathlongemeinde wohl recht exotisch aus, aber die Rumpfstabi wird es mir danken. Die Welt war wieder in Ordnung.

UnicornRacing_Calella_Gym

Beim Laufen war sie das übrigens auch! Die Strandläufe fühlten sich sehr gut an und auch das Tempo wurde immer besser. Zum Glück, sonst müsste ich ja die Sinnhaftigkeit des Trainings in Frage stellen. So verliefen die Tage des Trainingslagers dann doch sehr zügig.
Fazit: schneller geworden? Hoffentlich. Brauner geworden? Auf jeden Fall.

Wehmütig dachte ich mir während des Heimflugs: „Mei, ein bissl mehr chillen am Strand hätt‘ schon sein dürfen…“. Aber die Sportgehirnhälfte intervenierte sofort: „Ruhig bist, du warst zum Trainieren dort!“ … und außerdem hatte ich dafür ja auch kein passendes Outfit dabei!