Die Offseason-Trägheit

Warum gab es denn so lange keine Schreiberei auf der Seite?
Nun ja, es gab einfach nicht so viel zu berichten, womit ich die werte Leserschaft hätte nerven können. Ein Artikel wäre folglich recht dürftig ausgefallen:

– hat keinen Bock

– wird fett

– ist faul

– hat wirklich keinen Bock

– hat für Saison 2019 nicht mal ein Ziel

Kurz und ehrlich reflektiert war ich in den vergangenen zwei Monaten einfach eine absolute Vorzeige-Athletin. Unstrukturiert wurde im Wald herumgehopst, am Rad wurde nur bei Prachtwetter ein wenig herumgekurvt (mit möglichst hoher Trittfrequenz, damit man wenigstens in der Theorie schnell aussieht, auch wenn man es praktisch wirklich nicht war) und wer dehnte sich schon oder machte etwa Rumpfstabilisation? Ich nicht. Mit fortschreitendem Alter wird von einem ja ohnehin keine Flexibilität mehr erwartet … oder so. Einzig am Schwimmen wurde recht bald wieder gefeilt. Wobei der Terminus „gefeilt“ ja eigentlich recht unpassend gewählt ist, denn wer feilt schon an einem Klumpen feuchten Lehm. Aber auch die Einheiten im Wasser waren meist kurz, was primär der Tatsache geschuldet war, dass der Blondie-Kopf ob der vielen Korrekturen sonst zu explodieren drohte.

Das Einhorn war träge geworden. Sogar das Lebensgefährt begann Staub anzusetzen und wurde nur noch schamlos als Trocknungsgelegenheit missbraucht.

Prinzipiell machen ja auch die tatsächlichen Vorzeige-Athleten eine Offseason, in der mit wenig Struktur der Bewegungsvielfalt gefrönt wird. Jedoch dauert diese Phase bei den motivierten Menschen nur für ein paar wenige Wochen an und nicht ganze zwei Monate. Letztes Jahr war ich zu dieser Zeit sichtlich motivierter, mit dem Ironman Austria hatte ich auch ein klares Ziel vor Augen.

Lag es also am mangelnden Ziel? War die Saison einfach anstrengend gewesen und hatte physisch wie psychisch zu sehr ausgelaugt? So wie bei der Frage, welchen der Hemsworth-Brüder man als Frau lieber daten würde, handelte es sich auch hier um keine klare Entweder-Oder-Entscheidung, jede Antwort ist irgendwie zutreffend.

Was also tun, damit der faule Hintern wieder in Schwung kommt?

  1. In den Spiegel blicken.
    Ich besitze ja keine Waage, mein Gradmesser ist das Spiegelbild und da war eindeutig zu sehen, dass der Gesichtskrapfen zu wachsen begann. Eine suboptimale Entwicklung. Geh also wieder trainieren, Einhorn, bevor du wie ein Nashorn aussiehst (ja, korrekt … bewusste Dramatisierung!)
  2. Schuhe kaufen.
    Dies hilft bei Frauen ja fast immer und es wurde bisher noch nicht genau definiert, um welche Schuhe es sich handeln muss. Den Motivationsschub bringen nicht zwingend Manolo Blahniks, es darf sichtlich auch eine italienische Schuhmanufaktur sein. Somit bin ich nun in Besitz von ausgewachsenen Triathlon-Schuhen (die Farbgebung ist wohl wenig überraschend). Es stellt sich in der Folge aber die Frage, welche Ausrede jetzt für schwache Wechselzeiten herhalten muss, an den pinken, triathlonspezifischen Schühchen kann es nun ja nicht mehr liegen…
  3. Ein Ziel setzen.
    Die Definition der Ziele für 2019 war ein recht lustiger Diskurs. Ein motiviertes Aufbäumen gab es nämlich Ende September/Anfang Oktober, als mir der Verband per Mail mitteilte, dass ich für die Age Group WM (Lausanne) und EM (Kazan) 2019 im Sprinttriathlon qualifiziert bin. Zuerst dachte ich ja an einen Scherz. Was soll das Distanzpony auch bei einer Sprint-WM/EM? Wie kam es denn überhaupt dazu (Erklärung: Altersklassenrang 2 beim Heimrennen am Kraigersee, bei dem ich eigentlich gar nicht starten wollte)? Was machen wir jetzt mit dem Ironman 70.3 in Irland, den du 2019 so gerne machen wolltest und der fast zeitlich zur besagten WM stattfindet? Wissen die denn, dass der verpflichtende Trisuit des Verbandes farblich nicht zum verstaubten Lebensgefährt passt? Aber es wären eine WM und EM, wäre das nicht cool? Fragen über Fragen und ich wusste nicht, was ich tun sollte (ein erstklassiges „Erste-Welt-Problem“ eben. So ein armes Kind …).

“Do more of what makes you happy!” steht ja auf vielen Wandtattoos und Bildern für hippe Leute. Prinzipiell bin ich ja kein Fan davon, dass mir Dekorationsartikel aus dem Sale im Möbelhaus sagen, wie ich mein Leben zu führen habe („YOLO, Oida“ habe ich übrigens noch nirgends gesehen), in diesem Fall hatten sie aber recht. Nach langem Überlegen stellte ich mich also dem folgenden und eigentlich simplen Diskurs:

1. Frage: „Macht dir Sprinttriathlon eigentlich Spaß?“
Antwort: „Nö, eigentlich nicht … mache ich nur zu Trainingszwecken, weil prinzipiell ist es mir viel zu stressig und irgendwie wäh.“

2. Frage: „Macht dir das spezifische Training für Sprinttriathlon eigentlich Spaß?“
Antwort: „Nö, eigentlich nicht … ist irgendwie wäh.“

3. Frage: „Hast du Sponsorenverpflichtungen oder bekommst du eine Statue im Dorf, wenn du glorreich mit dem vorletzten Platz zurückkehrst?“
Antwort: „C’mon, hast du getrunken?“

4. Frage: „Welches Rennen möchtest du eigentlich lieber machen? 70.3 in Irland oder die Sprint-WM?“
Antwort: „70.3 in Irland! 1.400 Höhenmeter zwischen Schafen … yeah!“

Die Quintessenz des Diskurses: in meinem Kopf geht es offensichtlich wunderlich zu und ich habe mich mit dem Halbironman in Irland für das Rennen entschieden, das ich einfach lieber machen möchte. Es handelt sich ja um meine Freizeit und mein Urlaubsgeld, beides wird krass egoistisch dafür verbraten, wofür mein Herz schlägt und nicht dafür, sagen zu können, dass man als „Last out of the water“ bei einer WM dabei war.
Also hatte ich schon mal ein Saisonziel definiert. Die Planung konnte also starten und das Training wieder Fahrt aufnehmen! Das Doppelkinn würde es mir zwar nicht danken, aber das hatte hier auch keiner gefragt.

Saison 2019 – los geht’s!

Vielleicht trete ich doch noch die Reise zur EM in Kazan an, quasi als Kultur-Exkursion. Für irgendwas muss mein verjährtes Russisch-Studium ja gut sein. Hier muss ich mich aber zunächst vielleicht nochmal in die Deko-Abteilung stellen, um Inspiration für meine innerlichen Diskurse zu finden. YOLO, Oida!